24. März 2021 Deutschland und Usbekistan – eine Partnerschaft mit viel Potential

Deutschland und Usbekistan – eine Partnerschaft mit viel Potential

24.03.2021 – 14:13

Berliner Telegraph UG

Deutschland und Usbekistan – eine Partnerschaft mit viel Potential


















Deutschland und Usbekistan - eine Partnerschaft mit viel Potential
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Berlin/Taschkent (ots)

Wenn Staatschefs miteinander telefonieren, dann gibt es Wichtiges zu besprechen. So war es am 12. März, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsident von Usbekistan Shavkat Mirziyoyev eine Online Konferenz abhielten. Die Gespräche fanden in offener, konstruktiver, sachlicher und freundschaftlicher Atmosphäre statt.

Vieles hat sich in Usbekistan verändert, seit der usbekische Präsident am 14. Dezember 2016 sein Amt antrat. Usbekistan hat sich gewissermaßen neu erfunden. Der Kurs entwickelt sich zu einem stabilen Pfad mit nachhaltigen Veränderungen. Das Land hat sich geöffnet und wird zum Motor der ganzen Region. Die Entwicklung ist für Deutschland und Usbekistan von beiderseitigem Interesse.

Vier Monate hatte Präsident Mirziyoyev die Amtsgeschäfte seines am 2. September 2016 verstorbenen Vorgängers Islam Karimov zunächst kommissarisch übernommen, bevor die Wahlen im Dezember ihn im Amt deutlich bestätigten. Seine ersten Verlautbarungen über die anstehenden Aufgaben waren im In- und Ausland zunächst auf Interesse, aber auch viel Skepsis getroffen. Würde ein Staatschef aus dem Umfeld des vorangegangenen Herrschers derart radikale Veränderungen und Reformen in Usbekistan auf den Weg bringen?

Schon während er das Land kommissarisch leitete, kündigte Präsident Shavkat Mirziyoyev an, dass große Anstrengungen nötig seien, um die am Boden liegende Wirtschaft des Landes wieder zu beleben. Viele Veränderungen seien nötig. Aber allein der Gedanke an zahlreiche Autobahnen, die das Land bauen müsse, schienen eine Utopie für einen Staat, der sich nach kurzen Episoden von Liberalisierung wieder in strikte Herrschaft und strenge Isolation begeben hatte, um sich nicht der Gefahr von Destabilisierung und fremden Einflüssen auszusetzen. Das Vordringen der Taliban aus dem benachbarten Afghanistan war nur eine der vielen Gefahren vom In- und Ausland, die man fürchtete.

Doch was zunächst eine Utopie schien, fand seinen Weg in den politischen Alltag. Schritt für Schritt setzt der neue Staatschef die Agenda um. Die stets viel beachteten Ansprachen an seine Mitbürger zum Jahresende zeigen die Etappen der anstehenden Veränderungen. Große Anstrengungen seien nötig, und nicht nur er, sondern alle Mitbürger seien dabei wichtig und hätten ihren Teil bei den anstehenden Aufgaben, hatte er schon zu Beginn seines Amtsantritts in seiner Ansprache gesagt und damit ganz neue Töne angeschlagen.

Schon im ersten Amtsjahr besuchte der Präsident seine Nachbarn, zunächst den großen Nachbarn Kasachstan, dann die weiteren umliegenden Staaten. Was jahrelang undenkbar schien, kam jetzt auf die Agenda: Einigungen über Grenzverläufe und die gemeinsame Nutzung des knappen Wassers. Damit zeigte sich auch dem Ausland, dass Neuerungen unterwegs waren.

Zwei Jahre vergingen, bis im Ausland langsam das Vertrauen wuchs, dass in Usbekistan große Veränderungen stattfanden. Würde sich die neue Politik durchsetzen? Oder würde es ein politischer Frühling sein, den alte Eliten schon bald beenden würden? Das Interesse an Usbekistan stieg. Wie sehr, dass zeigte sich bei Unternehmerreisen des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, die mit ungewöhnlich hohen Teilnehmerzahlen Usbekistan erkundeten.

Die „UN Conference on Security and Sustainable Development“ in Samarkand im November 2017 war die Bühne, auf der das neue Usbekistan sich der internationalen Arena vorstellte. Vertreter der Nachbarn und vieler weiterer Staaten waren geladen und konnten erleben, wie alle fünf zentralasiatischen Staaten einen gemeinsamen Bund schlossen. Die Europäische Union stand beratend zur Seite.

Was die EU in sechs Jahren, von 2008 bis 2014, mit der ersten Zentralasien-Strategie erwirken wollte, nahm 2017 konkrete Form an, nämlich eine Zusammenarbeit der Länder in Zentralasien. Deutschland war damals, im Juni 2007, die treibende Kraft in der EU gewesen. Die Abstimmung der EU für die Strategie fiel damals einstimmig aus – am letzten Tag der deutschen EU-Präsidentschaft am 30. Juni 2007. Ziel war es gewesen, bi-laterale Gespräche, aber auch Gespräche der zentralasiatischen Staaten untereinander anzuregen. Ein regionaler Zusammenschluss der Region mit über 60 Millionen Einwohnern ist eine wirtschaftlich interessante Größe für Investitionen- in Zentralasien leben jetzt über 70 Millionen Menschen. Gebraucht wurde und wird fast alles. Aber zunächst musste die Politik den Weg ebnen und die Rahmenbedingungen schaffen, zu denen Investoren bereit wären, sich in den neuen Markt zu begeben.

Doch es war zu früh. Die Zentralasiaten brauchten noch Zeit. Die Furcht vor einer erneuten Abhängigkeit voneinander war größer als der Wunsch nach mehr Sicherheit und Stabilität miteinander. Bilaterale, politische Gespräche aber fanden statt, auf vielen Ebenen. Nur langsam ließen sie die Erkenntnis reifen, dass ein zunächst loser Zusammenschluss der Länder für alle von Vorteil wäre. Dazu beigetragen hatten auch die Ereignisse in der Ost-Ukraine und auf der Krim.

Die neue Verbindung zwischen den Staaten in Zentralasien und auch Afghanistan schafft einen Rahmen für weitere, gemeinsame Schritte, die für Sicherheit und Stabilität in der Region sorgen – zwischen den beiden großen Nachbarn Russland und China. Regelmäßige Treffen der Zentralasiaten stehen jetzt auf der Tagesordnung und zielen ab auf eine gemeinsame Linie in politischen und wirtschaftlichen Fragen. Die EU nahm dies zum Anlass für eine zweite Zentralasien-Strategie, 2019, und die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie aus dem Jahr 2018. Das wiederum stärkt die Dialoge mit Deutschland und mit der Europäischen Union. Usbekistan wird dabei immer mehr zum Zentrum und Motor der Region.

Im Januar 2019 kam Präsident Mirziyoyev zu seinem ersten Besuch in diesem Amt zu politischen Gesprächen nach Berlin. Die Gespräche waren erfolgreich, so dass eine Einladung zum Gegenbesuch erfolgte. Der kam schneller, als üblicher Weise ein Gegenbesuch erfolgt.

Die erfreuliche Entwicklung in Usbekistan und in der Region nahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Anlass für den Gegenbesuch bereits im Mai 2019, zunächst zu Gesprächen in Taschkent und dann zu kulturellen Terminen in Urgensch, einer berühmten alten Stadt im Westen des Landes. Als Außenminister hatte er Usbekistan bereits zwei Mal besucht. Im Mai 2019 war er erstmals als Staatsoberhaupt zu Gast und wurde mit großen Ehren empfangen.

Der 3-tägige Besuch und die Gespräche im neuen Usbekistan waren ein neuer Höhepunkt in den Beziehungen zwischen Deutschland und Usbekistan. Er machten die Veränderungen im Land für den Bundespräsidenten sichtbar und spürbar, nicht nur in der Politik, aber auch in der Zivilgesellschaft. Mit ihm reisten hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Zwischen den Staatsoberhäuptern beider Länder wurden neue Verbindungen geknüpft, und auch die Vertreter aus Wirtschaft und Kultur nahmen viele neue Kontakte und Pläne von der Reise mit.

In Urgensch besuchte der Bundespräsident auch die Staatliche Universität und stellte sich den Fragen der Studenten. Das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache ist in Usbekistan groß. Die Regierung hat deshalb das Angebot in den Schulen erheblich erweitert, insbesondere, um den Schulabgängern die Chance auf einen Studienplatz in Deutschland zu ermöglichen. Doch die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer, die den Sprachunterricht geben können, ist knapp. Usbekistan, das traditionell großen Wert auf Bildung legt, braucht weitere Möglichkeiten, um Anschluss an heutige Bildung und globale Bildungsabschlüsse zu finden.

Der Online Video-Gipfel zwischen Kanzlerin Merkel und Präsident Mirziyoyev am 12. März diente der weiteren Vertiefung und Erweiterung der Beziehungen beider Länder. Die Erörterung globaler Krisen kamen dabei ebenso zur Sprache wie die Realisierung gemeinsamer Vereinbarungen, die dynamische Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen, der Fortgang der Reformen in Usbekistan und die Entwicklung der finanztechnischen und sozio-ökonomischen Neuerungen.

Zur Sprache kamen dabei die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Wirtschaft und die Gesellschaft beider Länder. Die Corona-Krise hat Usbekistan, aber auch den deutsch-usbekischen Handel stark getroffen. Schlüsselindustrien in Deutschland, große Firmen und Bankinstitute können in Usbekistan nützliche Hilfe beim Aufbau der Wirtschaft leisten. Der Nutzen wäre auf beiden Seiten, denn während der Wirtschaft in Europa für Investoren wenig Anreize bietet, gibt es in Zentralasien große Chancen auf fast allen Märkten, für Waren und Dienstleistungen, Technik und Know-How. Große Firmen wie MAN, Claas, Knauf, Papenburg, Volkswagen, Siemens, Viessmann, und Bosch arbeiten bereits erfolgreich in Usbekistan. Im vergangenen Jahr investierten deutsche Firmen über 700 Millionen US-Dollar im Land. Im laufenden Jahr seien 24 gemeinsame Projekte mit einem Gesamtvolumen von über einer Milliarde US-Dollar geplant, heißt es aus Taschkent.

Der usbekisch-deutsche Wirtschaftsrat wird seine nächste Sitzung im Mai abhalten, um die Entwicklung von Industrie-Clustern zu besprechen, um die Entwicklung der Digitalisierung voran zu bringen und Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien zu fördern. Vor einem Jahr, im Januar 2020, hat Usbekistan zusammen mit seinen vier Nachbarn in der Region und Afghanistan den Vertrag „Green Central Asia“ unterzeichnet und so eine Basis für neue Projekte auch in diesem Bereich geschaffen.

Thema des Gespräches war auch die regionale Zusammenarbeit. Dabei wurde unter anderem die Lage in Afghanistan erörtert. Beide Länder unterstützen weiter den Friedensprozess mit Infrastrukturprojekten im Bereich Transport und Energie.

Die Zusammenarbeit der Staaten spielt weiterhin eine wichtige Rolle, damit der Handel auch über die Grenzen Usbekistans hinauswachsen kann. In dem Gespräch wurde vereinbart, die Zusammenarbeit beim Beitritt Usbekistans zur WTO sowie die Zusammenarbeit mit der EU fortzusetzen. Betont wurde dabei, dass die Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte, die Gleichstellung von Mann und Frau, und die Bekämpfung von Korruption weiterhin große Bedeutung haben. Mit der Fortsetzung seiner umfangreichen Reformen und seiner Öffnung wird Usbekistan zunehmend zum Motor der Region. Die Politik beider Länder will diese Entwicklung weiter unterstützen. Zum Abschluss des Gesprächs lud Präsident Shavkat Mirziyoyev Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Besuch in Usbekistan ein.

Usbekistan gehört zu den wenigen Ländern, in denen es trotz der Corona-Pandemie gute Nachrichten gibt. Nicht nur in Wirtschaft und Handel, aber auch in den Bereichen Bildung und Kultur gibt es viele neue, gemeinsame Projekten und Vorhaben. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Usbekistan entwickeln sich dynamisch – zum Nutzen beider Seiten.

Dr. Birgit Wetzel, Wirtschaftsjournalistin

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